Conny Eisfeld, aka Lomoherz, schreibt in ihrer Kolumne über besondere Orte und ihre dort entstandenen Fotos. Im Mai nimmt sie Dich mit nach Ummanz!
Ummanz wer? Genau genommen hatte ich ein Date mit Udo (Name von der Redaktion geändert). Doch am Ende dieses Dates hatte ich mich nicht in Udo, sondern in Ummanz verliebt. Das ist eine kleine Insel gleich neben der Insel Rügen mit Blick auf Hiddensee. Wir sind also im Nordwesten von Vorpommern.
Aber von vorne…
Eines Tages lud mich Udo auf eine Pizza in die TikiBar auf Ummanz ein. Sollen die besten auf der Insel sein. Wir fahren also nicht ans Meer, sondern an den Bodden, ugh. Wäre jetzt nicht meine erste Wahl für ein Date, aber für eine gute Pizza kann man das schon mal machen. Von der schmalen Ummanzer Straße Richtung Waase sieht man nur das TikiBar-Schild und vom Parkplatz müssen wir erstmal an der Toilettenbaracke vorbei, dann links und dann … du meine Güte.
Und dann wird mein Kopf zu einem riesigen Emoji mit Sternchen in den Augen.
Auf der großen Wiese vor uns stehen lange Holztische, die alle voll sind. Familien, Freunde, Surfer – alles dabei. Zwischen den Bäumen hängen romantische Lichterketten und die Tische schmücken wildgewachsene Blumen in der Bügelbierflasche. Reggae-Musik kommt nicht aus der Dose, sondern von der Bühne, hinter der die Sonne gerade überm Bodden untergeht. Und das ist noch keine Vorwarnung auf die Explosion, die gleich am Himmel passiert. Vorsorglich stehen schon mal alle am Ausguck mit Blick auf den Bodden. Auch hier trifft man sich zum Sunsetwatching. Als es dann soweit ist und sich das letzte Licht in einem dramatischen Orange über uns ausbreitet, überlege ich kurz, ob der Himmel hier eigentlich größer ist, als 35 km weiter in Stralsund. Wahnsinn. Beinahe vergesse ich meine Pizza und mein Date, muss aber feststellen, dass es nur um die Pizza schade gewesen wäre. Das Gesamtpaket von diesem Ort haut ordentlich rein.
Dazu gehören noch eine Wassersportstation, ein Surfhostel, ein Volleyballfeld, Tiny und Baum-Häuser zum Übernachten und bei schlechtem Wetter wird die Garten-TikiBar einfach nach drinnen verlegt, wo die Bühne doppelt so groß ist. Hier haben in den letzten Jahren Bands wie Bare Jams und Les Bummms Boys aufgespielt.
Ich habe das dumpfe Gefühl, dass ich vor Jahrzehnten mal auf Musikschulklassenfahrt hier war, aber vielleicht war das auch ein Schullandheim weiter.
Da ich also wahrscheinlich noch nie hier gewesen bin, frage ich mich die ganze Zeit, wo denn nun dieser Surfspot ist, von dem alle reden, und warum hier keine Surferjungs in halb angezogenen Neos rumlaufen.
Ein Mitarbeiter klärt mich auf: Das hier, das ist die TikiBar, gehört aber auch zur Ummaii Wassersportstation, die 2024 schon ihr 30-jähriges Jubiläum feiert. Ein paar Meter weiter ist der besagte Surfsport. Den kann ich über den Campingplatz, den Deich und durch den Wald erreichen. Geht aber ganz fix. Dort gibt es auch eine Bar und Neoprenanzüge, aber ob die nun halb auf den Hüften der Surfer hängen, hat er nicht erwähnt. Dafür erzählt er noch, dass dieser Surfspot hier das größte Stehrevier für Wassersport in ganz Deutschland ist.
Daher auch Ummaii, also eine Wortmischung aus Ummanz und dem Surfgeburtsort Hawaii. Wie passend. Ich muss kurz an meine Zeit in Dänemark denken, denn dort heißen die Surfspots im Norden Cold Hawaii. Einfach hygge.
Mein Fazit: Entweder ist Ummanz mit dem Ummaii Paradies der beste Geheimtipp Rügens oder ich hab mal wieder nichts mitgekriegt.
Das berühmt berüchtigte Ummaii Paradies Festival findet am kommenden Pfingstwochenende statt! Es gibt viel zu kieken, Contests, Workshops und Testival-Aussteller, Live-Musik und natürlich die leckerste Pizza der Insel. Absolut empfehlenswert!
Seitdem komme ich immer wieder nach Ummanz und fahre dafür boddenlängs über Rügen.
Das klassische Ostsee-Rügen mag ich auch – die Seebäder, die Kreidefelsen (wer war schon auf dem neuen Skywalk?!) und sogar ein bisschen das unheimliche Prora. Aber abseits der ausgetretenen Pfade gibt es noch ein anderes Rügen, ein ursprünglicheres Rügen.
Dort, wo kopfsteingepflasterte Alleen zu alten Gutshäusern führen und anliegende Inseln hoffentlich niemals aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen. Auf Rügen nennt man diese Region wohl den stillen Westen der Insel.
Die hervorstechenden Farben im Frühling und Sommer: Grün in allen Schattierungen, rot-orange, boddenblau und diesen Monat: rapsgelb. Im Mai steht die Insel vollends im Raps, der ihr Glanz und Gold verleiht. Die Felder reichen hier bis an die Häfen heran, bis in die Gärten hinein.
Ich fahre von Stralsund nochmal rüber und als ich die Rügenbrücke passiere, habe ich das anstrengende Meeting, in dem ich noch vor einer halben Stunde fußwippend saß, sofort vergessen. Auf einer Insel zu sein, macht irgendetwas mit einem. Vielleicht liegt es aber auch an dem schönen Wetter, denn ich halte instinktiv Ausschau nach einem klapprigen Stand mit Eingemachtem am Straßenrand, nach Kirschen zum Selberpflücken oder Männern mit Strohhüten, die in hochgekrempelten Hemden das Sommergras sensen. Natürlich noch alles viel zu früh. Aber vielleicht geht es mir auch nur so, weil ich die Bilder meiner Großmutter vor Augen habe, wie sie im Weizenfeld steht, sich die Haare aus der Stirn hält und gegen die Sonne blinzelt. Hier auf Rügen arbeitete sie in einem der unzähligen Herrenhäuser als Köchin, nachdem sie aus Hinterpommern vertrieben worden war.
Für das westliche Rügen braucht man übrigens keinen Reiseführer. Die wenigen Bundesstraßen auf der Insel zu verlassen, ist Geheimtipp genug, denn die kleinen Straßen und Wege führen von einer Idylle zur nächsten und irgendwann auf die Insel Ummanz.
Ummanz ist die Insel neben der Insel – die kleine Schwester, die man hier und da auch schon mal Dornröschen genannt hat. Dabei gibt es hier glaube ich alles, was man für ein entspanntes Inselleben braucht. Lagunen, Surfparadiese und Sonnenuntergänge – und dann dieses besondere Licht. Etwa 275 Insulanerinnen und Insulaner leben auf Ummanz, das erst seit 1953 mit Strom versorgt wird. Quasi gleich nachdem die einzige Brücke, die von Rügen nach Ummanz führt, um 1900 errichtet wurde.
Wenn man etwas mehr Zeit auf Ummanz verbringen möchte, und da einige Orte nicht mit dem Auto zugänglich sind, sollte man die Insel unbedingt mit dem Fahrrad erkunden oder besser noch zu Pferd, denn mitten im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft, der sich über ganz Ummanz erstreckt, liegt eine Haflingerzucht.
Und diejenigen, denen das zu viel Boden unter den Füßen ist, schnappen sich ein Boot und schippern ein bisschen auf dem Bodden oder direkt rüber auf die Insel Hiddensee (eine grandiose Abkürzung zur Standardanreise über Schaprode & Fähre).
Oder man entspannt einfach noch ein bisschen mehr auf Ummanz. Zum Beispiel im Zuckerkuss in Wusse. Dort gibt es selbstgemachte Kuchen, einen großartigen Blick auf die Stralsund-Silhouette und Grashalme zwischen den Zehen. Ab Mai hat es wieder durchgehend bis Oktober geöffnet. Wenn es etwas herzhafter sein darf, empfehle ich das Bistro Kutterschnute.
Kein Zuckerkuss, aber ein Zuckerhut: Am Freesenort, dem südwestlichen Zipfel von Ummanz steht ein Hallenhaus aus dem 17. Jahrhundert. Das Reetdach ist ein sogenannter Zuckerhut und diesen Stil – nämlich 4 gleich lange Dachseiten – sieht man nicht ganz so soft.
Der Insel-Leuchtturm in Waase ist so etwas wie das Maskottchen von Ummanz. Man sieht ihn sofort, wenn man den Focker Strom von Rügen nach Ummanz überquert. Umgeben von Fischkuttern macht er sich herrlich romantisch. Auf fast allen Postkarten prangt er und bei der Auswahl der Bilder für diesen Post habe ich 30 Bilder mit Leuchtturm rausgeworfen. Aber dieser Leuchtturm leuchtet nicht. Hat er nie. Denn der gesamte Turm ist nur eine Attrappe. Eine riesige Werbung für eine Biermarke aus M-V. Warum er da steht? In der Nähe gab es mal ein Fischrestaurant und vielleicht dachte man sich, mit einem Leuchtturm bekommt man in dieser abgelegenen Gegend gleich ein wenig mehr Aufmerksamkeit. Außerdem diente er als Kiosk. Das Restaurant und den Kiosk gibt es nicht mehr, aber der Leuchtturm steht weiter wie ne Eins am Strom. Und wie auf Hiddensee ist er zum Wahrzeichen von Ummanz geworden.
Auch wenn Ummanz eigentlich eine Insel ist, gehören zur Gemeinde Ummanz auch noch ein paar Orte auf der Nachbarinsel Rügen und zusammen kommen sie auf etwa 550 Einwohnerinnen und Einwohner. So zählt Bauer Lange in Lieschow ebenfalls zu Ummanz. Zuerst wollte ich dort gar nicht einkehren, weil M-V in regelmäßigen Abständen mit Erlebnisbauernhöfen lockt. Aber Bauer Lange hat sich ein paar Besonderheiten bewahrt: man kann Dumperrallye fahren (und ein Dumperdiplom machen!), man kann sich zum Jungbauern ausbilden lassen, Tiere streicheln, die saisonale Küche probieren und regionale Produkte im Hofladen einkaufen. Und es gibt die Antikscheune. Darin findet man keinen Krimskrams, der auf Antik getrimmt wurde, sondern einen richtigen Trödelmarkt, der von März bis Oktober täglich von 10 bis etwa 20 Uhr geöffnet hat. Alte Kameras und frische Klamotten aus Schafswolle gibt es dort übrigens auch.
Für den Nationalparkt braucht es nicht viele Worte: windwattig, dynamisch, natürlich und das Wasser stets im Blick. Der Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft erstreckt sich von Darß-Zingst über Hiddensee bis in den Westen Rügens. Er ist der größte seiner Art in M-V und der drittgrößte Deutschlands. Das Besondere: er ist eine einzige Lagunenlandschaft. Hier zu sehen: Kiebitzort, einer der westlichsten Punkte auf Rügen. Zumindest was dieses Bootshaus angeht.
Ummanz ist aber nicht nur bei Wassersportlern und Naturfreunden beliebt: Unzählige Kraniche machen jedes Jahr auf der Insel Rast. In Scharen kann man sie beobachten, fotografieren und bewundern – auf den Feldern oder am Himmel, der in der Nacht übrigens sternenklar oder endlos dunkel ist. Lichtverschmutzung gibt es hier nicht, nur krasse Sonnenuntergänge. Und danach: Sterne gucken!
Deutschlands größtes Stehrevier für Wassersport (wie wir ja nun wissen) ist auch der Homespot von DeafVentures. Das Besondere: Das Team bietet Wassersportkurse für Gehörlose in Gebärdensprache an. Das ist einzigartig in Deutschland und ich liebe diese Art der gelebten Inklusion. Neben den Teamfotos war ich bei einem der typischen TikiBar-Abende für einen Sommerkurs dabei. (Es gab natürlich Pizza.) Die Erinnerung daran bringt mir immer noch ein bisschen Gänsehaut. Als einzige mit zufällig funktionierendem Gehör am Tisch brachten mir die Teilnehmenden bei, wie ich meinen Namen in ihre Sprache übersetze und zwischendurch spielten wir ein paar Spiele in Gebärdensprache. Als jemand, der in größeren Gruppen genüsslich am Rand verweilt, habe ich mich selten so integriert gefühlt. Und erheitert.
Für die analogen Fotografien im quadratischen Format habe ich einen Kodak Porta 400 in meiner Hasselblad Kamera verwendet. Die meisten Fotos im rechteckigen Format habe ich wieder mit meiner Canon A-1 aufgenommen. Auf einigen Bildern erkennt ihr vielleicht einen leichten Retrolook. Woher der kommt? Vom cineastischen Filmmaterial. In der Kamera steckte ein Silbersalz 200T. Dahinter steckt ein Kodak Vision3 Motion Film, der quasi für die analoge Fotografie geschnitten und umgespult wurde und den Bildern diesen besonderen Look gibt. Die restlichen Bilder wurden mit dem klassischen Kodak Gold 200 aufgenommen, der aus meiner Sicht aber nur bei gutem Licht seinen goldenen Mantel aufmacht. Und dieses verrückte Bild vom Ummanzer Leuchtturm? Das ist eine Vierfachbelichtung. Ich habe ein einziges Bild viermal belichtet. Die Canon A-1 hat nämlich einen grandiosen Vorteil: Sie verfügt über einen eingebauten Doppelbelichtungsschalter. Man kann also ohne große Mühen Mehrfachbelichtungen aufnehmen, die nicht verrutschen.
Ihr wollt wissen, wie das mit den Doppelbelichtungen funktioniert? Auf meinem Lomoherz-Blog erfahrt ihr mehr!
Mit meiner Hasselblad CM 500 bin ich am liebsten unterwegs. Das ist eine alte schwedische Mittelformatkamera, hat ordentlich Gewicht, macht aber neben dem filmreifen Gefühl während der Aufnahme (Ja, man schaut von oben rein!) zauberhafte Bilder im richtigen Licht.
Ahoi und bis zum nächsten Mal!
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